Feinfühliger Hüne, vielseitiger Musiker: Julian Dawson mit Band in Mainz
BAP-Mundharmonikaspieler und britische Songwriter-Legende Julian Dawson mit Pianist Helmut Zerlett zu Gast im Mainzer SWR-Foyer.
Von Fred Balz
Julian Dawson ist ein britischer Gitarrist und Songwriter mit vielen Talenten – etwa Buchautor, Nena-Übersetzer und Musikproduzent.
(Foto: hbz/Jörg Henkel)
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MAINZ - Dumm gelaufen: Der Londoner Songwriter Julian Dawson (64) arbeitet an „Cold Cold World“, der launigen Antwort auf „Walking On Sunshine“ seines Freundes Kimberley Rew. 25 Jahre später verkauft der sich in Auflösung befindliche Plattenmulti BMG die Rechte am „Katrina & The Waves“-Song für 10 Millionen Pfund an einen Finanzdienstleister.
35 Jahre Geheimtipp ohne Hit, doch der 2-Meter-Kahlkopf, der mit Pianist Helmut Zerlett („Harald Schmidt-Show“) und Perkussionist Jorge Meneses ein abwechslungsreiches Konzert im SWR-Foyer gab, ist ein Mann mit vielen Talenten. Dawson ist nicht nur Songwriter, Gitarrist und Interpret eigener Songs, sondern auch Produzent (u.a. von Niedeckens Solo LPs), Gastmusiker (Little Feat, Roches, Al Stewart sowie 15 Jahre lang Mundharmonika-Spieler bei BAP) und Buchautor (Musiker-Biographien von Spencer Davis und Nicky Hopkins).
Nicht zuletzt hat er Texte von Nena wie „99 Luftballons“ ins Englische übersetzt und mit Helmut Zerlett und „Can“ in deren Kölner Studio 1985 und 1987 die Platten „As Real As Disneyland“ (1987) und „Luckiest Man In The Western World“ (1988) eingespielt, von denen die meisten Songs stammen. „Wenigstens wären wir diese Nacht nicht einsam“ singt Dawson in seiner A-cappella-Eröffnung „Lonely Girls“ auf der Suche nach einem Schlafplatz.
Sensibler Beobachter sozialer Befindlichkeiten
Ironie ist dem Ehemann und mehrfachen Vater nicht fremd, singt er doch in „I Like Your Absence“, dem meist gespielten Scheidungslied, wie schön es ist, wenn sich die Liebste verzieht. Dazu passt perfekt Steven Stills Ballade „Love The One Your With“.
Doch (Anti-)Liebeslieder sind seine Sache nicht. Dawson ist Beobachter privater wie gesellschaftlicher Befindlichkeiten. „Disneyland“ handelt von Dawsons Trip im Greyhound-Bus quer durch Swinging-USA vom Blues bis hin zur Mariachi-Musik. Ähnlich funktioniert dieser Abend: Während Zerlett an Piano und Orgel für luftige Folk- und funkige Rhythm & Bluesklänge (z.B. Aretha Franklins „All Kings Horses“ und „Keep On Running“ von Spencer Davis) sorgt, bringt Perkussionist Meneses („Steal That Beat“/„Turn It Into Money“) afro-karibisches Rhythmus-Feeling ein. Beide begeistern mit Soloeinlagen, Zerlett immerhin mit einem introvertiert impressionistischen Klavierstück.
Bereits in „Spark Of Human Kindness“ von 1987 singt Dawson „When This World Is Left To Locusts“ – also Heuschrecken; was Zerlett wiederum als „die Welt geht die Toilette ’runter” missversteht. So kurios die Zusammenarbeit auch ist, sie funktioniert bestens. Bei „Slipping Away“ flicht Zerlett „Jingo“ von Santana ein, und mit „Helmut In The Driving Seat“ gibt es einen Abstecher in die funkige Reggae-Disko. „Cindy Dolls & Action Men“ ist Dawsons Antwort auf sinnentleerte Diskomusik, und „Prince Of This World“ handelt von der Fallhöhe vermeintlicher Helden. Zur Zugabe „Ain’t No Sunshine“ holt Zerlett sogar sein antikes Omnichord, ein Akkord-Sampler-Gerät, hervor. Schade, dass Dawson die Zeit mit der Folkrock-Band „Plainsong“ ausspart.