Die Sängerin Olga Zaitseva erforscht ukrainische Folklore und...

Olga Zaitseva trägt einen traditionellen ukrainischen Kopfschmuck.Foto: www.zaitsa.com  Foto: www.zaitsa.com

Das Auge wird von der Sängerin Olga Zaitseva zum Mithören aufgefordert. Wenn man eines ihrer Videos bei Youtube aufruft, fällt sofort ein üppiger, floraler Kopfschmuck auf....

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WIESBADEN. Das Auge wird von der Sängerin Olga Zaitseva zum Mithören aufgefordert. Wenn man eines ihrer Videos bei Youtube aufruft, fällt sofort ein üppiger, floraler Kopfschmuck auf. Er ist nicht primär Ausdruck von Extravaganz, sondern von einer Tradition, die Olga Zaitseva im Gespräch erläutert. Der Kopfputz sei Teil der Kostüme in ihrer ukrainischen Heimat, erzählt die Sängerin, die an der Wiesbadener Musikakademie studiert hat und Hessens Landeshauptstadt ihren „Heimathafen“ nennt. Am 6. Juni tritt sie mit ihrem Ensemble im Kulturforum auf und kombiniert in ihrem Programm ukrainische Folklore und Weltmusik. Für ihren Auftritt habe sie sich nun einen neuen Kopfschmuck „extra in Lemberg bauen lassen“, verrät sie. Er wurde nach Archivbildern vom Anfang des 20. Jahrhunderts originalgetreu nachgefertigt. Ganz vorsichtig musste das kostbare Stück nach Wiesbaden transportiert werden.

Im Schmelztiegel kultureller Einflüsse

Es gebe da übrigens Berührungspunkte mit österreichischen Trachten, was historische Gründe hat: Die Westukraine gehörte bis 1918 zur Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Lemberg war ein Schmelztiegel kultureller Einflüsse aus West und Ost. Die Erforschung der musikalischen Traditionen ihrer ukrainischen Heimat ist eine Herzensangelegenheit von Olga Zaitseva: „Es fing alles mit meiner Band an“, erzählt sie: „Ich wollte die älteste Folklore finden und für Konzerte arrangieren. Aber woher weiß ich, dass es die ältesten Stücke sind?“ Die Musikerin, die in der Ukraine ein Violinstudium absolviert hat, fand heraus, dass viele Dokumente und historische Aufnahmen ukrainischer Volksmusik in kanadischen Archiven zu finden sind. Rund 1,4 Millionen Kanadier haben ukrainische Wurzeln. Ende des 19. Jahrhunderts habe es eine von mehreren großen Auswanderungs-Wellen gegeben, erzählt Zaitseva, die seit August 2017 als Doktorandin an der University of Alberta in Edmonton eingeschrieben ist. „Ultra-happy“ ist sie mit ihren Forschungsarbeiten zur ukrainisch-kanadischen Folklore. In Kanada hat sie in alten Tonaufnahmen „wahnsinnig tolle Sachen“ gefunden und will die „Riesen-Kollektion“ digitalisieren. Auch das Wiesbadener Publikum soll am Mittwoch in den Genuss einiger Funde kommen, die sie für ihr mit Gitarre, Piano, Kontrabass und Schlagzeug besetztes Ensemble „Zaitsa“ arrangiert hat. „Meine Idee ist, Forschung mit Musikperformance zu kombinieren“, sagt die Musikerin, die im Kulturforum auch etwas zu den Stücken erzählen will.

„Gewisse Ähnlichkeiten“ gebe es zwischen russischer und ukrainischer Folklore, entgegnet sie auf die Frage nach Unterschieden der musikalischen Tradition. Aber natürlich habe die ukrainische Musik „eine eigene Sprache“. Die Westukraine sei ein einzigartiges „melodisches Biotop“ gewesen, in das auch jiddische Musik eingegangen ist. In der ukrainisch-kanadischen Folklore wiederum sei der nordamerikanische Einfluss stark. Ein die Kontinente und Nationalitäten verbindendes Instrument ist für sie die Geige, die die klassisch ausgebildete Sängerin bei ihren Auftritten ebenfalls spielt. Mit ihrem Programm aus ukrainischer Folklore und Weltmusik „mit einem Hauch von Klassik“ möchte sie ohnehin eine musikalische Brücke zwischen Nationen und Kontinenten bauen. „Wer möchte schon einen Krieg in seiner Heimat haben?“, sagt sie zum ukrainisch-russischen Konflikt: „Ich möchte aber positiv in die Zukunft schauen.“ Und in der Völker verbindenden Folklore-Botschaft setzt der florale Kopfputz ein buntes Ausrufezeichen.