Bob-Dylan-Projekt begiestert Publikum in Wiesbaden
Von Viola Bolduan
Cornelius Danneberg spricht die Texte Bob Dylans auf Deutsch, Ziggy Has Ardeur und Ulrich Hartmann (von links) musizieren dazu nahe am Original. Foto: Jörg Halisch
( Foto: Jörg Halisch)
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WIESBADEN - „Don’t stand in the doorway / Don’t block up the hall“ (Bleibt nicht in der Tür stehen, / blockiert nicht die Halle) – Cornelius Danneberg lässt sich im Text nicht beirren, als der Vers konkret wird. Eine Spätbesucherin betritt die Halle des „Studio ZR6“ und kann nicht anders, als den Gang entlang auf den Schauspieler zuzulaufen. Leicht irritiert – nein, nicht sie wird angesprochen, sondern es wird gerade die ultimative Hymne der weltweiten Protestbewegung in den 60er Jahren „The Times They Are a-Changing“ rezitiert. Das Publikum ist amüsiert, der Sprecher bleibt souverän, die Spätkommende findet womöglich noch einen Platz am Rande des Geschehens. Denn zur Auftaktveranstaltung der im Dezember eröffneten Kulturstätte „Studio ZR6“ mit dem „Bob Dylan Projekt“ ist es im Hintergebäude am Zietenring 6 knallvoll.
Das Publikum ist generationengemischt. Der amerikanische Singer-Songwriter wird im Mai zwar 77, und seine populärsten Lieder stammen aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts – dennoch ziehen sie noch immer in ihren Bann. Dass dieser auch im Studio ZR6 bis zum stürmisch gefeierten Schluss hält, verdankt sich keinem Plattenabend für Senioren, sondern der kongenialen Performance von Text und Musik eines Trios. Mit choreografischem Spannungselement spricht Cornelius Danneberg seine deutschen Textübersetzungen aus der relativen Tiefe des Raums, während die beiden Musiker, am Synthesizer mit Künstlernamen Ziggy Has Ardeur und Ulrich Hartmann am Schlagzeug, mit Knötchen und Melodika, auf der Bühne vor dem neuen roten Vorhang sitzen.
„It’s Alright, Ma (I’m Only Bleeding)”, der Bob Dylan der rigorosen Anklage und bösen Prophetie ist hier Titel und Programm, genauso wie der der Einstiegs-Ballade „A Hard Rain’s a-Gonna Fall“ mit seinen apokalyptischen Bildern und messianischem Poetenanspruch. Der deutschen Übersetzung folgt Ziggy Has Ardeurs gesanglicher Vortrag der Originalversion. Er kommt dem schmallippigen Original unheimlich nahe. Der Akzent stimmt, der Tonumfang ist größer, keine näselnde Brechung stört den Fluss der Melodie. Die Reihenfolge von gesungenem Ursprungstext und deutschsprachigen Miniszenen wechselt dramaturgisch geschickt, und auch Ulrich Hartmann geht mit seiner Melodika mal den schmalen Gang an den Stuhlreihen entlang. Später erst kommt die Mundharmonika ins Spiel, holt Danneberg die Gitarre heraus und sitzt ein Gesangs-Duo bis hin zum Terzett auf der Bühne.
Auch wenn die angebotene deutsche Übersetzung nicht gerade bestätigt, dass Bob Dylan 2016 den Literaturnobelpreis für seine Lyrik verdient hätte: Die leicht nostalgische, doch beschwingt lockere Stimmung im Studio ZR6 spricht für eine tief sitzende Nachwirkung seiner frühen Lieder – zumal vorgetragen in dieser exzellenten Darbietung in einer Hommage an den eigenwilligsten und einflussreichsten Pop-Propheten des 20. Jahrhunderts.
Johlen und Klatschen: „It’s All Over Now, Baby Blue“ passt als Zugabe bestens. Ein Ringschluss zur Blauäugigkeit des „blue-eyed son“ vom Beginn ist allerdings gewagt – allein das Original enthält die Mehrdeutigkeit der Dylan-Verse, doch übersetzt, ist vielleicht mancher gerade deren Sogwirkung von Neuem erlegen.