„North Korea Dance“ begeistert bei tanzmainz-Festival
Eun-Me Ahn Company aus Seoul nähert sich dem fremden Nachbarn an – und zeichnet ein berührendes, humorvolles Bild von Nordkoreas Tanzkultur, das Sehnsucht nach Frieden ausdrückt.
Von Johanna Dupré
Redaktionsleiterin Kultur Mainz
In „North Korea Dance“ nähert sich die südkoreanische Eun-Me Ahn Company tänzerisch dem fremden Nachbarn an.
(Foto: Theater/JM Chabot)
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MAINZ - Stumm stehen sie sich auf der Bühne des Großen Hauses gegenüber. Zwei Reihen aus identisch gekleideten Tänzerinnen und Tänzern – scheinbar geteilt durch einen feinen Riss, der sich plötzlich im dunkelblauen Vorhang hinter ihnen aufgetan hat. Langsam, vorsichtig, gehen sie aufeinander zu, reichen einander über die trennende Kluft hinweg behutsam die Hände – und beginnen so ausgelassen miteinander zu tanzen, dass das Publikum des tanzmainz-Festivals schließlich sogar klatschend einstimmt.
Produktion löste in Südkorea starke Emotionen aus
Eine versöhnliche Szene, die wohl in jeder Choreografie ein bewegender Moment wäre – aber in „North Korea Dance“, der aktuellen Produktion der koreanischen Eun-Me Ahn Company, die jetzt als deutsche Erstaufführung in Mainz zu sehen war, berührt sie umso mehr. Schließlich ist Korea ein geteiltes Land – ein Zustand, der auch dem einen oder anderen hierzulande noch in Erinnerung sein dürfte, wie Tanzdirektor Honne Dohrmann in seiner Einführung betont: „Ich glaube aber, wir wussten in Westdeutschland damals noch viel mehr über die DDR als Südkoreaner heute über Nordkorea wissen können“. Längst sind die Landesteile einander fremd geworden – eine schmerzhafte Situation. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die aktuelle Arbeit von Eun-Me Anh, einer der führenden darstellenden Künstlerinnen Südkoreas, vom Publikum in ihrer Heimat sehr emotional und mit Begeisterung aufgenommen wurde: Sie ist im Grunde eine tänzerische Annäherung an den fremden Nachbarn, in der klar auch die Sehnsucht nach Frieden und Aussöhnung zum Ausdruck kommt.
Im Internet und in Bibliotheken hat die Choreografin recherchiert, um ein Bild der erstaunlich vielfältigen nordkoreanischen Tanzkultur zeigen zu können; angefangen mit einem Solo der in den 30ern auch in Europa berühmten Tänzerin Choi Seung-hee, die in Nordkorea starb: Ganz in Gold gekleidet und mit einem großen Kopfschmuck gekrönt steht Eun-Me Ahn auf der Bühne. Fast scheint sie still zu stehen – wären da nicht die kleinen, zarten, hoch konzentrierten Gesten, die sie mit ihren Händen ausführt und die sie wie eine Göttin wirken lassen. Es ist ein beeindruckender Einstieg in einen Abend, der noch viel Faszinierendes bieten soll: Die ironisch-augenzwinkernde Version einer Militärparade, bei der die Tänzer in blassgoldenen Uniformen wie Hampelmänner über die Bühne springen. Kraftvoll-energische Gruppentänze, die an Bewegungsfolgen aus der Kampfkunst erinnern. Oder eine Tänzerin, die wie ein anmutiger Fisch ein Tuch hinter sich schweben lässt – und von einer anderen Tänzerin vertrieben wird, die ihre bunten Fächer so hält, dass sie wie ein überdimensionierter Fasan oder Pfau aussieht. Es ist ein breites, durchaus humorvolles, berührendes und immer von höchster technischer Perfektion gezeichnetes Panorama, das die Eun-Me Ahn Company auffächert – zu Recht wird sie am Ende vom Publikum frenetisch gefeiert.
Wer danach weiterzieht zur „Forecasting“ auf der U17-Bühne, erlebt eine völlig andere, reduzierte, aber ebenfalls humorvolle Produktion: Barbara Matijevic tanzt mit einem Laptop – und scheint dabei immer wieder mit den Videos darauf zu verschmelzen: Ihre Hände, Füße, ihr Kopf werden zu den Händen, Füßen, Köpfen auf dem Bildschirm.