Landesmuseums-Direktor Faass zur aktuellen Schließung und zur neuen Schau
Darmstadts Landesmuseum ist geschlossen, aber drinnen wird die neue Fotografie-Ausstellung aufgebaut: Ein Gespräch mit Martin Faass über Museumsarbeit zu Corona-Zeiten.
Die Ausstellung „Untold Stories“ wird derzeit im Landesmuseum aufgebaut. Ob sie wie geplant eröffnet werden kann, will Direktor Martin Faass aber nicht versprechen.
(Foto: Guido Schiek)
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DARMSTADT - Auch das Hessische Landesmuseum Darmstadt ist erneut von der bundesweiten Schließung der Kultureinrichtungen aufgrund der Corona-Epidemie betroffen. Wir sprachen mit dem Direktor des Hauses Martin Faass über seine Einschätzung dieser Schließung und die Aktivitäten hinter dem geschlossenen Portal.
Herr Faass, es ist die Frage dieser Tage an Kulturschaffende wie – verantwortliche: Wie stehen Sie zu den aktuellen Schließungen?
Die Antwort darauf ist komplex. Die Gesundheitsämter können eben nicht sagen, wo die Ansteckungen stattfinden, was Entscheidungen für die Politik schwierig macht. Aber es macht mich auch traurig, dass gerade die Kultur in so großem Maße in die Pflicht genommen wird. Ich halte beispielsweise die Situation in so großen Museen wie unserem mit 12 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche für außerordentlich unbedenklich. Man kann ausreichend Abstand halten, dazu haben wir wie alle Museen Hygiene-Konzepte entwickelt. Wir wären kein Treiber in der Covid-19-Pandemie, sondern stattdessen mit Kultur und Weiterbildung ein wichtiges „Lebensmittel“ für alle Menschen, für Gesellschaft. Ich kann deshalb nicht ganz nachvollziehen, weswegen unsere Häuser in gleicher Weise wie Freizeiteinrichtungen geschlossen werden.
Und wie schätzen Sie die Möglichkeit der Wiedereröffnung im Dezember ein?
Dazu lässt sich von unserer Seite derzeit nichts sagen. Alles hängt ab von den Entscheidungen der Ministerpräsidenten der Länder beim Gespräch mit der Kanzlerin am 16. November. Unsere Hoffnung ist natürlich, dass dann bereits klarer wird, wie es weitergeht. Wir bereiten uns auf jeden Fall auf den „best case“ vor und werden am 1. Dezember wiedereröffnen können.
Die Ausstellung „Untold Stories“ wird derzeit im Landesmuseum aufgebaut. Ob sie wie geplant eröffnet werden kann, will Direktor Martin Faass aber nicht versprechen. Foto: Guido Schiek
Martin Faass vor dem Hessischen Landesmuseum in Darmstadt. Archivfoto: Guido Schiek
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Der Beginn der Fotoausstellung „Untold Stories“ mit Bildern von Peter Lindbergh ist ja auch bereits für den 3. Dezember geplant?
Der Aufbau läuft planmäßig. Aber ob es zur Eröffnung am geplanten Tag kommt? Das liegt leider nicht in unserer Hand.
Ein ganz anderes Thema: Sie haben in diesem Jahr auch wegen Corona Erfahrungen mit verstärkter Online-Präsenz gesammelt. Ist diese angenommen worden?
Doch, wir stellen fest, dass es angenommen wird. Wir sind viel präsenter im Netz, als wir es früher waren und haben eine ganze Anzahl neuer Internet-Angebote entwickelt. Ich kann da beispielsweise auf unser Museums-ABC verweisen, in dem wir unser Haus in Videos vorstellen. Gestartet sind wir bei A wie Architektur und derzeit bei G wie Graphische Sammlung, laufen wird alles natürlich bis zum Z. Darin stellen wir ganz unterschiedliche Aspekte von der Geschichte über die Sammlungsbereiche bis zum Blick hinter die Kulissen vor. Und in dieser Woche startet unser Museums-Podcast „Das Grüne Sofa”. Wir senden ein Gespräch mit Tomás Saraceno anlässlich der aktuellen Ausstellung „Songs for the Air”.
Aber es ist kein Ersatz für den Museumsbesuch, oder?
Nein, es ist eine Ergänzung zu dem, was Museum eigentlich ist. Das ist die unmittelbare Begegnung mit den Objekten, es ist das gemeinsame Erleben von Objekten, von Ausstellungen. Digitale Medien sind ein bedeutender Aspekt in dem, was Museum heute ist. Sie können zusätzlich etwas einbringen: mehr Information oder eine andere Art, sich den Museumsobjekten zu nähern. Sie ermöglichen es auch, sich auf Ausstellungsbesuche vorzubereiten. Aber es wird nie möglich sein, dass sie den Besuch einer Ausstellung ersetzen können.
Wenn man im Internet nach kommenden Ausstellungen schaut, werden dort die Lindbergh-Schau, der „American Heiner“ und „Joseph Beuys. Ulysses“ angekündigt – nur wenig nach der Jahresmitte 2021 endet aber das Angebot. Sind Sie vorsichtig mit weiteren Planungen?
Unsere Planungen gehen schon bis ins Jahr 2023. Dennoch sind wir aktuell in einer teilweise offenen Situation, und das hängt auch von der Dauer der Schließungszeit ab. Wenn im Dezember wieder geöffnet werden kann, gibt uns das einen völlig anderen Blick auf unsere Ausstellungsaktivitäten im nächsten Jahr als eine weitere Schließung. Gerade sind wir noch dabei zu überlegen, was Covid-19 für die Planung des kommenden Jahres bedeuten kann und wie wir damit umgehen wollen. Wir fahren sozusagen auf Sicht, denn langfristige Planungen sind unter den derzeitigen Voraussetzungen tatsächlich sehr schwierig.
Zu den Ausstellungen gehören bestmögliche Besucherzahlen, auf die Museen auch immer wieder zu Recht stolz sind. Meinen Sie, es macht Sinn, für dieses Jahr mit solchen Zahlen umzugehen?
(lacht) Das macht wohl allerhöchstens dann Sinn, wenn man sagen kann, es ist doch nicht so schlimm und dramatisch gewesen, wie wir anfänglich befürchtet haben. Wir freuen uns beispielsweise darüber, dass wir in den Wochen des Septembers und Oktobers, in denen geöffnet war, – relativ – gute Besucherzahlen erreichen konnten. Auch die Ausstellung der Arbeiten von Tomás Saraceno war gut besucht. Das ist zunächst einmal für uns hier im Haus ein wichtiges Signal, und ja, auch eine Genugtuung. Wir sehen, dass Dinge, für die wir uns engagieren und die wir möglich machen, von unserem Publikum wahrgenommen werden. Aber natürlich: Im Ganzen ist 2020 völlig unrepräsentativ, und es wird zu sehr besonderen Besucherzahlen in einem sehr besonderen Jahr kommen.