„Wiesbaden gibt pro Kopf zu wenig für Kultur aus“

Sebastian Schäfer hat die Daten ausgewertet. Foto: Schäfer

Der Wiesbadener Finanzexperte Sebastian Schäfer hat die Kulturausgaben der hessischen Städte verglichen: Wiesbaden kommt demnach deutlich hinter Frankfurt, Darmstadt und Kassel.

Anzeige

WIESBADEN. Die hessische Landeshauptstadt gibt pro Kopf 110 Euro für Kultur aus – deutlich weniger als Kassel oder Darmstadt, von Frankfurt ganz zu schweigen.

Sebastian Schäfer hat die Daten ausgewertet. Foto: Schäfer

„Fünf Millionen Euro mehr, um mit Kassel mitzuhalten“

„Die Wiesbadener Stadtpolitik müsste jährlich fünf Millionen Euro mehr in den Kulturhaushalt einstellen, um zumindest mit Kassel gleichzuziehen – gegenüber Darmstadt sind es schon 17 Millionen Euro“, sagt Sebastian Schäfer. Der Diplom-Volkswirt, Referent im hessischen Finanzministerium, hat bereits zum zweiten Mal die Kulturausgaben der kreisfreien Städte in Hessen verglichen.

Anzeige

Schäfer untersuchte bereits 2017 die Zahlen von 2014 und 2015. Aus freien Stücken: „Mich hat der Vergleich der hessischen Städte einfach interessiert.“ Nun legt der 36-jährige Wiesbadener, Gründungsmitglied der Kreativfabrik und dort zehn Jahre lang Vorsitzender des Vereins, nach. „Ich wollte wissen, ob sich das bestätigt.“ Seine Studie mit den Zahlen von 2016 zeigt: Die anderen Städte haben zum Großteil aufgesattelt an Kulturausgaben. Frankfurt steht unangefochten an der Spitze mit 259 Euro pro Einwohner (vorher: 257), Darmstadt erhöhte am meisten von 153 auf 171, Kassel 129 (124), Wiesbaden mit den erwähnten 110 Euro (108). Nur Offenbach gibt weniger aus – aber selbst dort wurden aus 36 Euro immerhin 43 Euro.

Die absoluten Zahlen der Kulturausgaben sehen in der Studie so aus: Frankfurt 190 578 231 Euro jährlich, Wiesbaden 30 453 529 Euro, Darmstadt 26 933 005 Euro, Kassel 25 631 274 Euro und Offenbach 5 365 225 Euro. Auch das lasse interessante Rückschlüsse über Relationen zu – auch, wenn er zu den Zahlen erweiterte Kulturausgaben summiere: „Die Relation bleibt identisch. Das, was ich untersucht habe, scheint sich fortzusetzen“, sagt Sebastian Schäfer: „Hat die Förderung der kulturellen Landschaft Wiesbaden einen geringeren Stellenwert als in anderen hessischen Städten?“ Diese Frage möchte er auch gerne im neuen Wiesbadener Kulturbeirat diskutieren, dessen Mitglied er ist. Das könnte auch in die Beratungen für den Kulturentwicklungsplan einfließen.

Auf Basis seines Zahlenwerks wäre der zweite Schritt, zu untersuchen, warum das so ist – und der dritte: Welche Forderungen ergeben sich daraus? Sein Ziel sei es: Erst mal die Verhältnisse festzustellen und die Diskussion anzufachen – zumal jetzt die Haushaltsdebatten beginnen.

Der städtische Haushalt gebe es her, mehr in Kultur zu investieren. Gesetzt den Fall, es wären für den Kulturetat tatsächlich die fünf Millionen Euro mehr da, um mit Kassel gleichzuziehen – welche Vorstellung hat er, wie man solche Mittel sinnstiftend einsetzen könnte? Was könnte man stärken? „Meine kulturelle Sozialisierung ist ja von einer kleinen Organisation geprägt. Ich habe dabei festgestellt: Wenn man kleineren Trägern etwas wegnimmt oder die Preissteigerung nicht mitgeht, kann man diese Institutionen an den Rand ihrer Möglichkeiten bringen. Da geht es gar nicht um große Beträge, diese Gruppen zu stärken.“

Das auch im Kulturentwicklungsplan zu berücksichtigen, findet er wichtig: „Die Vielfalt einer Stadt ergibt sich aus den vielen kleinen Akteuren. Aus denen wachsen Spitzen heraus, die zeigen: Diese Gruppen werden gesehen.“ Daraus ergebe sich für ihn ein quirliges Kulturleben.