Theaterquarantäne plant das vierte Sprungturmfestival
Nach dem Trauerjahr: Darmstädter Gruppe ist nach dem Tod von Regisseur Hanno Hener neu formiert und setzt auf die Kraft des Kollektivs.
Von Stefan Benz
Kulturredaktion Darmstadt
Der Sprungturm am Woog ist das Wahrzeichen des Sprungturmfestivals, das aber zum größten Teil im Hoffart-Theater steigt. Victor Schönrich, Clemens Braun und Anton Kunze (von links) bereiten die vierte Auflage im Sommer 2019 vor. Foto: Andreas Kelm
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DARMSTADT - Und es geht doch weiter. Wenige Wochen nach dem ersten Todestag des Darmstädter Regisseurs Hanno Hener (1949-2017) sitzt der Vorstand des Vereins Theaterquarantäne im Café am Woog und verkündet: An zwei Wochenenden im August 2019 steigt im Hoffart-Theater das vierte Sprungturmfestival. Eröffnet wird am 13. August wieder am Zehn-Meter-Turm, wo jetzt im Winter nur die Nilgänse ihr Spektakel veranstalten.
Ausgehend vom Schultheater am Liebig-Gymnasium und dem Jugendclub am Staatstheater hatte Hener seit Mitte der Neunziger Theaterquarantäne mit freiem Geist und internationalem Netzwerk geprägt. Wer sollte ihn als Leitfigur ersetzen? Das Trauerjahr 2018 brachte die Antwort: die Gemeinschaft! Der Theaterverein hat mittlerweile 33 Mitglieder, zwei Dutzend sind aktiv dabei.
Auftritte im Hoffart-Hinterhof, in den Kammerspielen und eine "Zauberflöten"-Performance am Woog zeigten den Machern im zurückliegenden Jahr: "Die Energie und Lust, Theater zu machen, ist nicht weg." Das sagt Clemens Braun, zweiter Vorsitzender, der selbst Regie führt. "Theaterquarantäne ist kollektiver und demokratischer geworden. Wir wollen mit dramaturgischer Hilfe und Räumen Leute unterstützen, die Lust haben etwas zu machen. Da bieten wir ein Netzwerk an."
Wobei die Marke Theaterquarantäne dafür sorgen soll, dass es nicht beliebig wird. Kunststudent Victor Schönrich, der mit Hanno Hener die bislang drei Sprungturmfestivals kuratierte, wünscht sich "Sinnlichkeit, junges Theater, das mehr zum Extremen geht, eine freie Basis für Experimente." Und Clemens Braun formuliert das Grundgesetz dieser Kulturarbeit: "Warum machen wir Theater? Diese Frage sollte man sich täglich stellen." Das hätte sicher auch Hanno Hener unterschreiben können. Doch darum soll es nun nicht mehr gehen. "Wir blicken nach vorne", betont Geschäftsführer Anton Kunze.
Und da sind alle Anstrengungen auf die Sommerfestspiele gerichtet. "Hannos Connections etwa nach Kolumbien oder Schweden sind noch solide. Viele wollen wieder Teil des Festivals sein", sagt Schönrich, der darauf setzt, dass sich im Theaterteam ein neues Netzwerk bildet. "Wir haben Scouts in der eigenen Gruppe, die auch andere Festivals sichten." Überhaupt setzt er auf "mehr junge Kreative" und mehr künstlerische Vielfalt. Während Hener vom Text und vom Theater kam, ist Schönrich seit jeher für die bildende Kunst zuständig. Auch Tänzer und Musiker sollen 2019 wieder eingebunden werden. "Das soll einen Werkstattcharakter haben." Ähnlich wie 2017, als der Hoffart-Hof künstlerisch verwandelt wurde, könnte es 2019 wieder kommen. Auch jenseits der Bühne soll die Festivalwelt die Wirklichkeit überformen. "Und dieses Bild wird sich jeden Tag ändern."
Die Suche nach alternativen Spielorten für das Sommerspektakel, die Hener noch kurz vor seinem Tod betrieben hatte, spielt für die neue Festivalcrew offenbar keine große Rolle mehr. "Das Hoffart ist eines der besten freien Theater", sagt Schönrich und schwärmt von der Atmosphäre: "Da hängt noch der Schweiß an den Wänden." Passt zu einem Festival, das laut Konzeptblatt "jeden modischen Eventcharakter ausschließt".
Das Hoffart mit seinen zwei Bühnen im Martinsviertel ist aber auch logistisch ideal. "Wenn wir früher neue Räume gesucht haben, war immer siebzig Prozent Logistik", sagt Clemens Braun, der als Co-Regisseur rund 60 Produktionen mit Hanno Hener gestemmt hat. "Beim Hoffart ist die Struktur da. Dort können wir uns auf die Inhalte konzentrieren."
Acht Monate vor der Eröffnung lässt sich über das Programm allerdings noch nichts sagen. Das Motto "Love after Love" aber mag man für ein Bekenntnis zum künstlerischen Nachlass halten: Ein leidenschaftlicher Theatermacher ist abgetreten, die große Theaterliebe aber bleibt.
Kurzfristig will das Team von Theaterquarantäne diese Spielfreude beim Spätprogramm "Läd Naid Sürpries" am Samstag, 29. Dezember (ab 23 Uhr), im Foyer der Kammerspiele ausleben. Victor Schönrich verspricht "ein großes Fest mit 13 Schauspielern, viel Kartoffelsalat und Würstchen."