Die intrigante Mischung aus Liebe, Rivalität und jeder Menge Sexappeal reißt das Publikum bei der Premiere in der Alten Oper von Beginn an zu frenetischem Applaus hin.
Von Heidrun Helwig
Inmitten der Meute: Roxie (Carmen Pretorius) und ihr Anwalt Billy Flynn (Craig Urbani) setzen auf Freispruch.
(Foto: bb-promotion/Kotze)
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FRANKFURT - Die koketten Damen lassen keinen Zweifel zu: „Der Kerl hat es verdient. Der Kerl war fällig.“ Angesichts von schäbigem Verrat, fiesem Betrug und gemeinen Lügen gab es eben keine andere Lösung als Mord. „Du hättest das Gleiche getan“, versichert der Chor der aufreizenden Häftlinge im Song „Cell Block Tango“. Zumal eine spektakuläre Bluttat obendrein die perfekte Chance für mediale Aufmerksamkeit und rasche Berühmtheit ist. Das erkennt im Musical „Chicago“ auch Nachtclubsängerin Roxie Hart, die ihren treulosen Liebhaber mit drei Schüssen niedergestreckt hat. Im Gefängnis lernt die Blondine die Doppelmörderin Velma Kelly kennen und gemeinsam mit dem gewieften Anwalt Billy Flynn wollen beide dem Henker entgehen. Daraus entspinnt sich eine intrigante Mischung aus Liebe, Rivalität und jeder Menge Sexappeal, die dank mitreißender Jazzrhythmen und fesselnder Tanzshow das Publikum bei der Premiere in der Alten Oper Frankfurt von Beginn an zu frenetischem Applaus animiert.
Das liegt nicht allein am schwungvoll agierenden Ensemble der englischsprachigen Originalversion – allen voran Samantha Peo als Velma Kelly –, sondern auch an der schier unbegrenzten Spielfreude des elfköpfigen Orchesters unter Leitung von Bryan Schimmel, das im Zentrum der fast leeren Bühne sitzt.
Das Musical spielt in den 1920er Jahren in der Gangstermetropole Chicago und basiert auf zwei realen Kriminalfällen. Das schien die ideale Vorlage für das Erfolgstrio um Komponist John Kander, Songautor Fred Ebb sowie Choreograph und Regisseur Bob Fosse. Die drei hatten 1972 bereits bei der Verfilmung des Musicals „Cabaret“ mit Liza Minnelli zusammengearbeitet. Ein Erfolg, der sich drei Jahre später mit „Chicago“ zunächst nicht wiederholen ließ. Erst nachdem die Choreographin Ann Reinking die Tanzszenen überarbeitet hatte, feierte das Revival 1996 eine umjubelte Rückkehr.
Die Inszenierung in der Alten Oper setzt auf optische Zurückhaltung: Ohne aufwendiges Bühnenbild oder Spezialeffekte ist sie eher puristisch angelegt, entwickelt durch diese Schlichtheit einen ganz eigenen Reiz. Auch die Kostüme folgen dieser Strategie: Die Darsteller tragen allesamt schwarze, freizügige Kleidung. Dabei baut sich schon nach wenigen Sekunden Spannung auf. Auf der dunklen, kargen Bühne erklingen die ersten Töne von „All that Jazz“, und kaum verstummt die Musik, taucht im Lichtkegel Roxie Hart (überzeugend: Carmen Pretorius) auf und erschießt ihren Liebhaber, bevor die Handlung wieder nahtlos in den Song übergeht. Wie in einer Revue reihen sich die Szenen lose aneinander und werden bisweilen von einem Conférencier angekündigt. Dabei wechseln die Orte der Handlung ganz ungezwungen zwischen Tingel-Tangel, Zellentrakt und Gerichtssaal. Minimalistisch, aber gleichsam fesselnd auch die Choreographie, die bis in die kleinste Geste hinein ausgefeilt ist.