Der Intellekt hat viele Gesichter: Reiner Kröhnert im Darmstädter Halbneun-Theater
Unkorrekt und unterhaltsam: Kabarettist Reiner Kröhnert ist mit seinem Programm „Getwittertcloud“ im Darmstädter Halbneun-Theater aufgetreten.
Von Christopher Hechler
Volontär
Meister wechselnder Tonfälle: Kabarettist Reiner Kröhnert im Halbneun-Theater.
(Foto: Dirk Zengel)
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DARMSTADT - Die Rolle scheint ihm auf den Leib geschneidert. Als Reiner Kröhnert, stilecht mit USA-Schirmmütze ausgerüstet, am Freitagabend die Bühne betritt und mit Trumpschen Habitus sein neues Programm beginnt, könnte man bei geschlossenen Augen meinen, der US-Präsident persönlich begrüße die Zuschauer im Darmstädter Halbneun-Theater.
Dabei ist Trump nur eine von vielen Persönlichkeiten, die Kabarettist Reiner Kröhnert in „Getwittertcloud“ gekonnt persifliert. Während es eben noch um Fake News ging, sitzen im nächsten Moment Dieter Bohlen, Philosoph Rüdiger Safranski und Moderator Michel Friedman in der Talkshow „Der Intellekt hat viele Gesichter“ gemeinsam auf der Couch. Wie der als „Messias der Bildungsfernen“ vorgestellte Musikproduzent seine Mitmenschen wahrnimmt, möchte Safranski wissen und bekommt prompt die schroffe Antwort: „Ich sehe keinen Gegenüber, ich sehe nur Untendrunter.“
Kröhnert wechselt zwischen den Rollen in hohem Tempo, imitiert Gestik, Mimik und Akzent dabei so treffsicher, dass trotz der fehlenden Zeit zum Durchatmen immer ersichtlich ist, wen der Kabarettist gerade verkörpert. Ausflüge in die Gedankenwelten mancher Prominenter garantieren auflockernde Pointen inmitten des durchaus anspruchsvollen Politkabaretts.
Sprachlich ist das ein Genuss. Ob nun die verkopfte Sprechweise eines Rüdiger Safranski oder der bitterböse, als Gedicht vorgetragene Monolog eines Klaus Kinski, der sich, um sich an Kindern zu vergehen, lieber als Priester denn als Schauspieler gesehen hätte („Wo eine Hand die andere reinigt und keiner dich mit Fragen peinigt“) – Kröhnert gelingt es spielend, seine Rollen mit vielschichtigen Texten auszustatten.
So offenbart sich seine Imitation von Friedrich Merz als neoliberaler „Trump der Teutonen“, dem der „Reichtum für fast alle“ am Herzen liegt, während Edmund Stoibers postpolitisches Leben aus dem Sammeln von seltenen Hotelseifen besteht. Besonders kurios wird es, wenn, frei nach dem Theaterstück „Geschlossene Gesellschaft“ von Jean-Paul Sartre, Erich Honecker und Adolf Hitler in der Hölle aufeinandertreffen.
Die ewige Qual der beiden ist die gemeinsame Gefangenschaft, aus der sich spitzzüngige Wortgefechte ergeben. So meint Honecker, der sich als Verfechter von Kim Jong-Un präsentiert, dass Hitler die Reden für Trump schreiben und so einen „Weltkriegs-Hattrick“ schaffen könnte. Dass der jedoch nichts mit dem US-Präsidenten zu tun haben möchte, sich aber von Erdogan überaus begeistert zeigt, ist nur eine der vielen Aussagen an diesem Abend, bei denen das Lachen im Halse stecken bleibt. Kröhnerts Kabarett ist zwar nicht politisch korrekt, dafür aber höchst unterhaltsam.