Alkohol- und Drogenabhängigkeit bei Autoren und in ihren Werken der Weltliteratur
Von Viola Bolduan
Ernest Hemingway war sehr dem Alkohol zugeneigt.
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WIESBADEN - Menschen trinken, um am Leben zu bleiben. Gerade zur Sommerzeit wie dieser hört man von überall her: Mindestens zwei bis besser noch vier Liter Flüssigkeit täglich, damit der Körper nicht verdurste, medizinisch: dehydriere. Auch wenn Mediziner unter dieser Flüssigkeit vornehmlich Wasser verstehen – es gibt auch andere Sorten flüssiger Substanz. Menschen trinken auch, um zu leben. Die Kulturgeschichte gibt Zeugnis von Bierproduktion und Weinanbau mindestens seit der Zeit der Sumerer im 7. vorchristlichen Jahrtausend, weshalb noch lange nicht alle diese Trinker (von Trinkerinnen ist weniger bekannt) vom Alkohol umnebelt herumgetorkelt sein müssen. Das Getränk wurde (oft in Maßen) als natürliches und kalorienreiches Nahrungsmittel zu sich genommen, wobei der beliebte Honigwein, genannt Met, zwischen elf und 16 Prozent Alkohol enthielt. Höher prozentige Destillate kommen erst später ins Glas. Met spielt für die Standes-Gesellschaft im Mittelalter seine auch soziale Rolle literarisch weidlich aus: Hrothgar etwa, König der Dänen in „Beowulf“, dem altenglischen Heldenepos aus dem frühen Mittelalter, lässt für seine Gefolgsleute gar eine eigene Met-Halle bauen, auf dass sie im Gelage ihren Göttern für das berauschende Getränk danken können.
Der germanische Stabreim erlaubt die flüssige Verbindung von Met zu Mescalin, ein – auch ohne auftretendes Ungeheuer – riskantes Rauschmittel, gewonnen aus Kakteensaft und eingenommen von Malcolm Lowry, dem britischen Autor in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der den sowohl erleuchtenden wie verheerenden Einfluss dieser halluzinogenen Droge in seinem bekanntesten Werk „Unter dem Vulkan“ (1947) detailliert beschreiben kann – weil er sie selbst so gut kennt.
Wenn, wie Schriftsteller Michael Krüger (mit Ekkehard Faude) im süffigen Büchlein „Literatur & Alkohol“ feststellt: „Ein Alkoholnebel liegt über der Weltliteratur“, so mag das immerhin als Fragezeichen auch für den Versroman „Tristan und Isolde“ (um 1210) von Gottfried von Straßburg gelten. Der elsässische Großromancier lässt sein berühmtes Liebespaar ununterbrochen trunken sein. Den Minnetrank komponiert Richard Wagner nicht als Erster, original angerührt und ein für alle Mal schmackhaft gemacht hat ihn der Barde aus dem hohen Mittelalter. Auf gemeinsamer Überfahrt von Irland nach England bekommen Isolde und Tristan Durst. Da verführt ein Fässlein an Bord, in dem eine magische Suppe schwimmt. Die Bestandteile des Narkotikums der Liebesentzündung bleiben zwar unbekannt – aber es wirkt.
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Am Tresen Wein trinken mit dem Gottessohn? So respektlos, aber stilsicher unter den Lyrikern des 20. Jahrhunderts können nur zwei sein – hier ist es Robert Gernhardt in seinem „Lokal-Bericht“, und der andere, Peter Rühmkorf, dichtet sozialkritisch: „Die Basis sprach zum Überbau:/,Du bist ja heut schon wieder blau!‘/Da sprach der Überbau zur Basis:/,Was is?‘“ Einem gepflegten Humpen war der sanfte Satiriker Gernhardt aus Frankfurt sicher nicht abgeneigt, und der versversierte Hanseat Rühmkorf schreibt in seinen Tagebüchern unverhohlen über seine Süchte – im Glas, in der Pfeife, im Bett. Und Rühmkorf hat Unmengen von wunderbaren Gedichten geschrieben. Bei den Wiesbadener Literaturtagen wollte er zur Lesung ein Flascherl Rum, Harry Rowohlt jeden Rotwein, den er kriegen konnte, Martin Walser lieber eine spezielle Sorte.
Ernest Hemingway war sehr dem Alkohol zugeneigt. Foto: dpa
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„Man muß immer trunken sein. … Doch womit? Mit Wein, mit Poesie oder mit Tugend, womit ihr wollt. Aber berauschet euch“, schreibt der Franzose Charles Baudelaire, der sich selbst den Rausch durch Alkohol und Drogen für die poetische Stimmung verordnet und als Übersetzer im amerikanischen Kollegen Edgar Allen Poe denn auch das passende Pendant findet. Auf dem Friedhof von Baltimore (Maryland, USA) soll – so geht die Mär – alljährlich dem Erfinder der Gothic Novel zu dessen Todestag mit einer Flasche Kognak Tribut gezollt werden. Tribut für die spannend dunklen Kurzgeschichten, das berühmte „nevermore“ im Gedicht „The Raven“ und nicht zuletzt für die gescheiterte Karriere eines begnadeten, mit Verlaub, Quartalsäufers.
Alkohol ist zwischen 1920 und 1933 in den USA verboten und macht ihn deshalb umso willkommener für eine ganze Generation von Schriftstellern und deren Nachkommen von John Steinbeck (der seiner Frau versprechen musste, wenigstens den Nobelpreis 1962 nüchtern entgegenzunehmen) bis zum in Andernach geborenen Beatpoeten Charles Bukowski über Jack London, Eugene O’Neill, Upton Sinclair und viele suchterfahrene Schriftsteller mehr. Einen Sonderstatus als exzessive und deshalb offen gefeierte Trinker nimmt das glamouröse Paar Zelda und Scott Fitzgerald („The Great Gatsby“, 1925) ein – immer Party, bis in die Depression und zum Nervenzusammenbruch. Pointiert konstatieren Michael Krüger/Ekkehard Faude für die Literatur dieser Zeit: „,The Great American Novel‘ von Hemingway bis Faulkner hat eine schwimmende Grundlage aus Whiskey“. Wodka (auch mit Rasierwasser) heißt sie auf des Russen Wenedikt Jerofejews „Reise nach Petuschki“.
Dagegen bevorzugen andere Autoren/innen Medikamente (Ingeborg Bachmann), Schnaps (Joseph Roth), Kokain (Georg Trakl), Amphetamine (Jean-Paul Sartre), Bier (Gottfried Benn), Heroin (Klaus Mann) oder Apfelfäule aus der Schublade (Friedrich Schiller). Verführerischer klingt Franz Josef Degenhardts Wunsch im Lied: „Ich möchte Weintrinker sein …“. Na denn Prost! Wenn nur das Werk nicht ins Wanken gerät …