Urtier auf Tour: Mastodon verlässt das Darmstädter Landesmuseum
Für ein Jahr geht das Mastodon aus dem Darmstädter Landesmuseum auf Reisen: Erst wird das 14.000 Jahre alte Skelett restauriert, dann kommt es zur Ausstellung nach Washington.
Von Annette Krämer-Alig
Kulturredakteurin Darmstadt
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DARMSTADT - Davor haben die Handwerker wie die Wissenschaftler sich am Donnerstag im Hessischen Landesmuseum Darmstadt über Stunden hinweg gefürchtet. Als das Becken und die hinteren Extremitäten in einem Stück abgebaut werden, gibt es doch noch einen Bruch im Skelett des rund 14 000 Jahre alten Mastodons. Es ist das letzte der fünf Teile, in die man das Urtier-Fossil gerade zerteilt hat, und eigentlich hatte man viel mehr Angst vorm Abnehmen des Kopfes mit den langen Stoßzähnen gehabt, der gleich zu Beginn erfolgte. Nur gut, dass das Entsetzen über diesen Knochenbruch sich aber in Grenzen halten kann: Zerstört wurde nur eine der vielen Ergänzungen aus Knochenholz-Komposit und Gips, die diese Mastodon-Reste seit ihrem Fund 1851 im amerikanischen Hudson River erfahren haben.
Zerlegt wird dieses Skelett gerade erstmals seit der Eröffnung des Landesmuseums vor 113 Jahren, und es wird auch zum ersten Mal seinen exponierten Platz im ersten Obergeschoss des Museums verlassen, auf den der Blick gleich beim Eintritt in die Halle fällt. "Ein besonderer Moment in diesem Haus", wie Museumsdirektor Martin Faass sagt. Denn nicht nur für ihn wirkt es so, als habe der Architekt Alfred Messel "diesen Bau rings um das Mastodon errichtet".
Skelett bekommt zwei neue Stoßzähne
Doch warum wird dieses Symbol des Hauses dann gerade zerlegt? Zunächst sollen die Teile in den kommenden fünf Monaten einer Restaurierung unterzogen werden, die nottut. Das Skelett wird dabei von der Farbe befreit. Es erhält zwei neue Stoßzähne (auch die jetzigen waren Imitate) sowie einen neuen Oberschädel, "der dem entspricht, was man heute über die Art des ,Mammut Americanum' weiß, zu der unser Urtier gehört", wie Oliver Sandrock sagt, der für die Abteilung Fossile Wirbeltiere und Gesteine im Landesmuseum zuständig ist. Außerdem erhalten die Knochen als neue Bildungselemente ein Stecksystem, das künftig den Auf- und Abbau in wenigen Stunden möglich machen soll.
Im Landesmuseum in Darmstadt ist das Mastodon abgebaut worden. Erst wird das Skelett restauriert, dann geht es zur Ausstellung in die USA. Foto: Guido Schiek
Denn es geht auf eine große Reise. Die Skelett-Teile werden voraussichtlich Ende Januar 2020 in eigens angefertigten Kisten und natürlich begleitet von Restauratoren in ihre ursprüngliche Heimat, die USA, transportiert. Dort sollen sie zur Sensation einer Ausstellung werden, die das Smithsonian American Art Museum in Washington DC zu Ehren von Alexander von Humboldt ausrichtet. Ihr Thema ist die Verbindung des deutschen Naturforschers zu den Vereinigten Staaten - und dazu gehört die Erinnerung daran, dass Humboldt bei seinem USA-Besuch 1804 auch nach Philadelphia gefahren ist, um das dort öffentlich gezeigte Mastodon anzuschauen und sogar unter den Zähnen des Urtiers ein feierliches Dinner mit amerikanischen Honorablen für ihn arrangiert wurde. Im Gegenzug wird es Ende nächsten Jahres eine Mastodon-Schau im Darmstädter Landesmuseum geben, zu dem Exponate aus Washington kommen.
Im Landesmuseum in Darmstadt ist das Mastodon abgebaut worden. Erst wird das Skelett restauriert, dann geht es zur Ausstellung in die USA. Foto: Guido Schiek
Im Landesmuseum in Darmstadt ist das Mastodon abgebaut worden. Erst wird das Skelett restauriert, dann geht es zur Ausstellung in die USA. Foto: Guido Schiek
Im Landesmuseum in Darmstadt ist das Mastodon abgebaut worden. Erst wird das Skelett restauriert, dann geht es zur Ausstellung in die USA. Foto: Guido Schiek
Im Landesmuseum in Darmstadt ist das Mastodon abgebaut worden. Erst wird das Skelett restauriert, dann geht es zur Ausstellung in die USA. Foto: Guido Schiek
Im Landesmuseum in Darmstadt ist das Mastodon abgebaut worden. Erst wird das Skelett restauriert, dann geht es zur Ausstellung in die USA. Foto: Guido Schiek
Im Landesmuseum in Darmstadt ist das Mastodon abgebaut worden. Erst wird das Skelett restauriert, dann geht es zur Ausstellung in die USA. Foto: Guido Schiek
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Doch das ist noch Zukunftsmusik. Erst einmal wird der gestrige Abbau lange im Gedächtnis bleiben. Denn kaum je erlebt man in einem Museum so viel brachiale Gewalt und gleichzeitig liebevollen Umgang mit Exponaten. Die drei Handwerker um den Lengfelder Schlosser Daniel Sehl, der diese Aktion geleitet hat, und ein Präparator der geologischen Abteilung des Landesmuseums waren mit massiven Schraubenziehern und Hämmern zugange, bisweilen füllten sogar die Funken und Geräusche einer Flex die Naturhistorische Abteilung des Landesmuseums.
Es war ein Abenteuer, denn die Akteure wussten nie, worauf sie gleich stoßen würden: "Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Mastodon so aufgerichtet, aber es gab keine Dokumentation", sagt Daniel Sehl. So fanden die Handwerker über zehn Schrauben zwischen den fünf Zehen eines Mastodon-Fußes, und das rechte Vorderbein wollte partout nicht weichen von der massiven Nachkriegs-Verschraubung auf einer Stahlplatte. Doch als das Teil dann schließlich "befreit" war, wurde es wie alle anderen zunächst mithilfe zweier kleiner Kräne ganz sacht in einen Plastikpuffer gebettet. Das verzögerte zwar den Abbau um viele Stunden, doch missmutig wurde niemand. "Das Mastodon ist eben das absolute Prestigeobjekt", wie Daniel Sehl befindet.
DER FACHBEGRIFF
Wenn das Mastodon nach Darmstadt zurückkehrt, hat es 2020 seinen großen Auftritt in der Landesmuseums-Schau "American Heiner. Ein Mammut macht Geschichte". Dieser Titel führt zum Fachbegriff fürs Urtier: Sind Mastodon und Mammut eins? Man kann sagen: Ja.
Das Skelett gehört zu einer rund 25 Millionen Jahre alten Familie der Rüsseltiere, den Mammutidae. Der Begriff Mastodon wurde 1806 geprägt. Er wird heute nur noch umgangssprachlich für das Amerikanische Mastodon verwendet, dessen Vorfahren schon vor 15 Millionen Jahren in Nordamerika auftratenDer wissenschaftliche Name des vor etwa 10 000 Jahren ausgestorbenen Tieres ist "Mammut americanum".
"Mammuthus" ist die Fachbezeichnung für das WollhaarmammutDer Eiszeitelefant existierte zwischen 5,7 Millionen und 4000Jahren vor unserer Zeit. (aka)