Neue Leipziger Schule einmal anders

Sie war Meisterschülerin des gerade gestorbenen Leipziger Hochschulprofessors Arno Rink: Malerin Miriam Vlaming mit ihrem Bild „Classroom“ in der Galerie Rother Winter.Foto: Lamparth  Foto: Lamparth
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Neuland. Im Rhein-Main-Gebiet hatte Miriam Vlaming noch keine Einzelausstellung. Die Schau, mit der sie dieses Terrain erobern wird, setzt ein starkes Signal: Die Wiesbadener...

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WIESBADEN. Neuland. Im Rhein-Main-Gebiet hatte Miriam Vlaming noch keine Einzelausstellung. Die Schau, mit der sie dieses Terrain erobern wird, setzt ein starkes Signal: Die Wiesbadener Galerie Rother Winter zeigt vom Samstag an Werke der Malerin, die sehr eigenständige Bilder komponiert, in denen oft der Mensch und die Natur in Dialog treten. Wir treffen sie beim Aufbau.

Miriam Vlaming zählt zur Neuen Leipziger Schule, jener Kunstrichtung, die durch figurative Malweise bekannt geworden ist – und vor allem durch ihre männlichen Protagonisten: Neo Rauch, Hans Aichinger, Tilo Baumgärtel. Stört sie das, diese Eingrenzung der öffentlichen Wahrnehmung? „Das ist der Markt“, sagt die 1971 in Düsseldorf geborene Malerin lakonisch und zuckt mit den Schultern: „Ich sehe das mit Humor und Antrieb.“ Antrieb auch dafür, ein Malerinnen-Netzwerk zu gründen, in dem mittlerweile 30 wichtige Leipziger und Berliner Künstlerinnen vertreten sind, „wir brauchen diesen Diskurs“.

Wenn man in ihrem Lebensweg zurückblättert, dann finden sich viele solcher Momente, in denen sie Widrigkeiten mit Initiative begegnet. Sie wusste schon sehr früh, dass sie figurativ malen wollte, erzählt Miriam Vlaming. Und dass sie damit Anfang der 90er Jahre in Düsseldorf völlig am falschen Platz war: „Dafür gab es nach Beuys keinen Raum.“ Also ging sie, kurz nach der Wende, nach Leipzig, „und war damit zur richtigen Zeit am richtigen Ort“. Hier trafen ihre akademischen Vorstellungen auf den begnadeten Hochschullehrer Arno Rink. Er starb erst vor wenigen Tagen (wir berichteten), sein Tod geht ihr nahe. Sie war Meisterschülerin bei ihm, bevor sie nach Berlin zog.

Das Studium in Leipzig, sagt sie heute rückblickend, sei „ein Glücksfall gewesen“: Die Hinwendung zum Thema Mensch, die Fähigkeit, selbst ihre Eitempera-Farben mischen zu können – all das habe sich hier entwickelt. Welche Früchte das allein in den vergangenen zwei Jahren getragen hat, kann man der Wiesbadener Ausstellung ablesen: Oft auf Basis von gefundenen Fotografien entstehen vielschichtige Bildwelten mit Menschen, Ornamenten und Pflanzen, die von ihr partiell zerstört werden. „Ich will nicht alles bis zum Ende erzählen“, sagt sie und wäscht die Farbe in einem eigens ins Atelier gebauten Becken wieder herunter. Dadurch bekommen ihre ohnehin durch die faszinierend stumpfen Oberflächen sehr spannungsreichen Arbeiten einen zusätzlichen Reiz.

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Inhaltlich drehen sie sich um Themen wie die Domestizierung der Natur einerseits und andererseits um Fragen, was sie mit dem Menschen macht und was den Menschen wiederum zu einem sozialen Wesen macht. Das ist oft symbolhaft, immer überraschend und funktioniert besonders gut in den monumentalen Bildern, „ich bewege mich gerne im großen Format“. Manchmal auch mit den Händen statt mit dem Pinsel. Damit bekommen diese Bilder auch eine haptische Qualität.

Und die setzt sich insgesamt dann doch irgendwann durch. So hat die Kunstzeitschrift „Art“ gerade über die Malerinnen der Neuen Leipziger Schule berichtet – eben auch über Miriam Vlaming. Eine wirkliche Entdeckung, die der Galerie Rother Winter da gelungen ist.