Hier spitzer Witz und da Romantik: Die Verkaufsausstellung vereint Werke des Darmstädter Zeichners und Grafikers aus sechs Jahrzehnten.
DARMSTADT. Die offensichtlich gern genutzte Batschkapp hängt im ersten Ausstellungsraum des Darmstädter Künstlerhauses Ziegelhütte gleich neben der Tür, und sie wirkt wie ein Symbol für diese ungewöhnliche Schau mit Papierarbeiten des Zeichners, Grafikers und Gebrauchsgrafikers Helmut Lortz (1920–2007).
Denn diese Präsentation baut auf „Privates“. Die Kappe stammt aus Lotz’ kleinem Atelier im hinteren Trakt des Ziegelhütten-Gebäudes. Sie ist eine der vielen natürlich vor allem künstlerischen Hinterlassenschaften des Zeichners und Grafikers, die von wenigen Engagierten nach seinem Tod aus dieser Atelierwohnung gerettet werden konnten – kurz, bevor das Müllauto kam. Und jetzt sind es „Lauter schöne Bilder aus privatem Besitz“, die laut dem Ausstellungstitel zu sehen, aber auch zu kaufen sind.
Denn Liane Palesch und Erwin Koch vom Verein Künstlerhaus Ziegelhütte präsentieren mit wenigen Ausnahmen 116 Lortz-Blätter aus allen Schaffensperioden, die ihre jetzigen Besitzer weggeben wollen – auch, um diese zu erhalten. „Nachdem wir voriges Jahr hier Lortz-Werke aus unserem Besitz gezeigt haben, kamen andere auf uns zu mit der Bitte, noch eine Schau mit ihren Arbeiten zu gestalten“, sagt Palesch. Oft seien diese Besitzer älter, und in ihrem Umkreis gebe es niemandem mit Interesse an dieser Kunst.
Der Ausstellungs-Mix, der dabei herauskam, ist reizvoll – und wieder eine Besonderheit im Darmstädter Lortz-Jahr. Die Darmstädter Kunstszene feiert die 100. Wiederkehr seines Geburtstags ja nun schon seit Jahresbeginn mit mehreren Präsentationen, die dem Mann und seinem Können auch gebühren: Der international früh anerkannte Lortz hat das Kunstleben seiner Heimatstadt eben seit den Fünfzigern entscheidend mitgeprägt. Doch wird dabei meist kunsthistorisch und nach Schaffenskriterien geordnet: Ein Muss, so möchte man meinen. In den drei kleinen Räumen der Ziegelhütte ist nun aber zu erleben, wie viel Authentizität auch Zufälligkeit vermitteln kann.
Schon an den ersten Wänden wird die bleibende Experimentierfreude eines Künstlers deutlich, der „immer einen Zimmermannsbleistift oder später einen Filzstift in seinem Mäppchen mit dabei hatte“, wie Palesch sagt. Damit zeichnete Lortz seine schwarz-weißen Blätter seit den späten Vierzigern: offensichtlich schnell und aus der freien Hand, aber immer kompositorisch sicher – selbst da, wo er in frühen Jahren seinem engen Freund, dem Literaturkritiker Georg Hensel, eine kleine Zeichnung widmet. In deren Vordergrund wird der Arm des als Rückenfigur gezeigten Schreibers immer länger und breiter, bis er symbolhaft für dessen Beruf mit der Feder in der Hand auf einem noch leeren Papier mündet.
In solchen Arbeiten scheint bei allem Humor der exzellente Gebrauchsgrafiker durch. Schon früh hat Helmut Lortz mit flächigen, minimalisierten Holzschnitten eben nicht nur seine grinsende Katze aufs Blatt gebracht oder Georg Büchner stilisiert. Er hat im Brotberuf mit Bild wie Schrift auch Werbeprospekte für Darmstädter Ausstellungen oder Theateraufführungen gestaltet – sogar davon finden sich Beispiele in dieser Schau. Kein Wunder also, dass der späte Lortz mit Wonne selbst die Möglichkeiten des just erfundenen Kopierers genutzt und Eigenes damit neu- oder umgestaltet hat.
In den beiden folgenden Räumen dann eine Überraschung. Es wird zartfarbig. Und sowohl die Landschaftsansichten (die bei den Plein-Airs der Darmstädter Sezession im südfranzösischen Mirabel, aber auch im Odenwald entstanden sind) wie die lauschigen Ecken italienischer Dörfer oder die Blumenarrangements in Vase und Topf sind bekannte Lieblingsmotive des „freien“ Malers Lortz. Doch erst in dieser Massierung wird klar, wie romantisch das Herz dieses Ironikers wohl auch geschlagen hat, wenn er sie mit wenigen, schwarzen Strichen, Kreiden oder Aquarellfarben aufs Blatt brachte.
Von Annette Krämer-Alig