Tanzen mit einem breiten Lachen

Sammy Amara und Ines Maybaum von den Broilers. Foto: Volker Watschounek Foto: Volker Watschounek
WIESBADEN - Die Punkband Broilers hat sich für ihren letzten Auftritt vor der Arbeit am neuen Album ihr eigenes Festival in Wiesbaden zusammengestellt. Sänger Sammy Amara und Bassistin Ines Maybaum berichten im Gespräch über Heimat, Nationalismus und das Älterwerden.
Frau Maybaum, Herr Amara, „City Riot Festival“ lautet der Titel Ihres Festivals am Samstag, 25. August, im Kulturpark am Schlachthof. Wollen Sie die Kurstadt abfackeln?
Sammy Amara: Keine Sorge, der „Riot“ wird sich auf den Kulturpark beschränken. Die Energie, die die Leute in sich tragen, wird vor der Bühne rausgelassen. Tanzen, singen, pogen, aber immer mit einem sehr breiten Lachen im Gesicht.
Was ist die Grundidee für das Festival?
Amara: Wir wollen uns selbst belohnen. Die Broilers haben sehr intensiv am letzten Album gearbeitet und sind viel getourt. Mit diesem Festival gehen wir in die Pause. Es ist die vorerst letzte Show. Danach ziehen wir uns zurück, arbeiten an neuen Songs, ruhen uns aus, setzen eine Zäsur.
Welche Bands sind in Wiesbaden dabei?
Ines Maybaum: Wir haben Bands dabei, mit denen wir schon unterwegs waren wie die Folk-Punker Flogging Moly, die Oi!-Punker Booze & Glory oder die Ruhrpott-Punker Emscherkurve 77. Und wir haben Gruppen eingeladen, die uns gereizt haben wie die Ska-Legenden The Selecter aus dem Two-Tone-Bereich oder das Pop-Wunderkind Drangsal.
Die Fußball-WM dominiert die Sommerwochen. „Die Fahne hängt schlaff und schwer wie Blei. Dieses Sommermärchen ist vorbei“, heißt es in einem Song. Wecken Fahnen ein ungutes Gefühl?
Amara: Ich habe weder zu Fußball noch zu Patriotismus einen Bezug. Ich will aber kein Miesepeter sein. Wenn Menschen unbedingt mit Fahnen wedeln wollen, sollen sie es tun, so lang sie wissen, wie schnell das alles in eine ungute und gefährliche, nationalistische Richtung gehen kann.
Maybaum: Viele schmücken ihr Auto oder ihre Wohnung, wie sie zu Weihnachten den Tannenbaum schmücken.
Was bedeutet der Begriff Heimat?
Amara: Sobald du dich wohl und sicher fühlst, ist das deine Heimat. Für mich heißt das nicht, dass man irgendwo geboren wurde und nur der, der dort geboren wurde oder womöglich danach aussieht, darf dann den Ort als Heimat bezeichnen. Heimat ist dort, wo die Menschen sind, die mir wichtig sind.
Das letzte Album enthielt viele politische Texte. Wie wichtig ist das?
Amara: Für uns als Band ist das sehr wichtig. Wenn Künstler primär dafür leben, kommerziell erfolgreich zu sein, dann vermeiden sie politische Texte. Das ist für uns keine Option. Dann verkaufen wir lieber ein paar CDs weniger.
Maybaum: Musik muss nicht immer politisch sein. Aber man sollte als Band, Musiker oder Künstler eine Haltung haben. Wir lassen uns den Mund nicht verbieten.
Ihr Vater stammt aus dem Irak, waren Sie schon mal dort?
Amara: Ja, als Kind war ich mal da. Das Land hat mich sehr beeindruckt. Aber ich hatte Heimweh und wollte damals ganz schnell wieder nach Hause. Ich weiß, dass meine Wurzeln auch da sind. Aber es ist doch sehr fern. Natürlich habe ich als Kind gemerkt, dass die Freunde von Papa etwas anders ticken, eine andere Mentalität haben. Fand ich interessant.
War das komisch für Sie?
Amara: Ich habe mich selbst nie als Kind mit ausländischen Wurzeln wahrgenommen. Das Gefühl, womöglich ein Fremder hier zu sein, wurde immer von außen an mich herangetragen.
Haben Sie mit der Arbeit am neuen Album schon begonnen?
Amara: Bisher gibt es nur ganz lose Textideen. Erst nach einigen Wochen Urlaub werde ich mich effektiv an den Schreibtisch setzen.
Wie entstehen neue Songs?
Amara: Ich habe mich in letzter Zeit diszipliniert, den Text relativ früh zu beginnen und idealerweise auch zu Ende zu schreiben. Ich hatte früher viele Lieder angefangen, ein wenig Text geschrieben und bin dann zur nächsten Idee gesprungen. Da hatte ich dann zahllose unfertige Fragmente liegen.
Hat die Band schon mal ihr Veto gegen einen Text eingelegt?
Maybaum: Das kam noch nicht vor. Wir sind relativ homogen und wissen, wie die anderen ticken.
Und musikalisch?
Ines: Wir können uns auf die Grundmusikrichtung Punk gut einigen. Dann gibt es bei jedem Bandmitglied musikalische Ausreißer.
Welche?
Maybaum: Ich mag unter anderem auch mal Metal, Jazz oder gute 80er Jahre Musik.
Amara: Pop, Elektro, klassische Musik und Jazz laufen bei mir sehr viel. Ich würde aber nie in Verlegenheit geraten, das mit den Broilers zu verbinden. Als Broilers stehen wir immer mit einem Fuß im Punk.
Welche Themen sind reizvoll?
Amara: Ich werde wohl mal ein Lied zum Älterwerden schreiben. Wir sind jetzt Ende 30, gefühlt aber noch nicht hundertprozentig erwachsen.
Maybaum: Früher ist uns ein End-Dreißiger unendlich alt vorgekommen.
Amara: Der Gedanke der Halbzeit ist irgendwie erschreckend.
Das Interview führte Karl Schlieker.