Gewalt erzeugt neue Gewalt

General Huffing (Jim Boeven, rechts) erläutert Staatssekretär O‘Connor (Peter Gilbert Cotton) die Sicherheitslage. Foto: ARD
Nein, es geht nicht um Weihnachten. Besinnlich wird es im neuen Ludwigshafener „Tatort: Vom Himmel hoch“ so gar nicht. Stattdessen befasst er sich mit einer tödlichen Gefahr aus der Luft: Es geht um den Drohnenkrieg und seine psychischen Folgen. Um traumatisierte Opfer und traumatisierte Täter, die sich, wie die Ermittler ungläubig erfahren müssen in der Praxis des Psychiaters Dr. Steinfeld teils die Klinke in die Hand geben.
Es ist ein naheliegendes Thema für das Ludwigshafener Ermittlerteam. Schließlich ist von dort aus die Airbase Ramstein nicht allzu weit, um deren Bedeutung für den US-Drohnenkrieg es immer wieder Diskussionen gibt. Offiziell, so heißt es auch jetzt im „Tatort“, werden von dort aus „nur“ die Funksignale weitergeleitet. Auch das ist für viele deutsche Kritiker der unbemannten Tötungseinsätze schon schwer zu ertragen. Inoffiziell hält sich außerdem hartnäckig der Verdacht, dass von Ramstein aus auch direkt Drohnenangriffe gesteuert werden. Genug Stoff für eine äußerst politische „Tatort“-Folge ist also vorhanden – man kann allenfalls kritisieren, dass der SWR das Thema reichlich spät auf die Agenda hebt: Der Drohnenkrieg war eines der großen moralischen Problemfelder der Präsidentschaft von Barack Obama. Sein Nachfolger hält die Welt inzwischen bekanntermaßen mit so vielen Brandherden in Atem, dass das Thema Drohnen darüber in Vergessenheit gerät. Was freilich auch ein Argument dafür sein könnte, ihm jetzt einen „Tatort“ zu widmen.
Zumal die Folgenlosigkeit, mit der bisherige Debatten auch über Deutschlands Verwicklung in den US-Drohnenkrieg verpufft sind, in diesem Fernsehkrimi thematisiert wird – in Form von Mirhat Rojan (Cuco Wallraff), einem Kurden, dessen Kinder bei einem Drohneneinsatz im Irak getötet wurden. Gemeinsam mit seinem in Deutschland lebenden Bruder Martin (Diego Wallraff) hat er sich mehrfach an die deutsche Bundesregierung gewandt – erfolglos. Und steht jetzt kurz davor, im Zuge des Besuchs von Staatssekretär Jason O‘Connor (Peter Gilbert Cotton) in Mannheim mit Gewalt auf sein Schicksal aufmerksam zu machen. Ob er auch hinter dem Mord an Psychiater Steinfeld steckt, der zu Beginn tot aufgefunden wird? Lena Odenthal und Johanna Stern vermuten einen Zusammenhang. Aber da ist ja auch noch Heather Miller (Lena Drieschner), eine an Depression leidende US-Soldatin, die lange auf der anderen Seite der computergesteuerten Tötungseinsätze stand. Es ist diesem „Tatort“ anzurechnen, dass er das Leid auf beiden Seiten des Drohnenkriegs zeigt, ausführt, wie Gewalt neue Gewalt erzeugt – auch wenn die Darsteller vielleicht nicht immer ganz den Ton treffen. Unter dem Strich ist das, was Autor und Regisseur Tom Bohn hier in suggestive Bilder gesetzt hat, nicht nur ambitioniert, sondern auch gekonnt ausgeführt – was für einen Ludwigshafener Fall keine Selbstverständlichkeit ist. Dass er zudem Zeit findet, Lena Odenthal auf typisch unnahbare Art um den Weggang von Kollege Kopper trauern zu lassen – es ist ja der erste „reguläre“ Fall nach dessen Abschied – und für ihre Figur glaubhaft eine neue Nähe zu Kollegin Stern begründet, macht das Ganze um so besser.