„Widows“

Black Power: Viola Davis (links) als Gangsterwitwe, die Geld braucht und Cynthia Erivo als Babysitterin, die Fluchtautos steuert. Foto: Fox
Als ihre Männer sterben, hinterlassen sie ihren Frauen nichts als Schulden und Ärger. Veronica ist ein Leben mit Schoßhündchen im Luxusappartement gewohnt und soll plötzlich zwei Millionen Dollar auftreiben. Linda verliert ihren Laden und sitzt allein da mit den zwei Kindern. Und Alice wird jetzt zwar daheim nicht mehr verprügelt, dafür muss sie beim Escort-Service anschaffen gehen.
Den Abschied von ihren Männern zeigt Regisseur Steve McQueen („12 Years a Slave“) als Pre-Title-Sequenz furios mit Kuss, Klaps und Kugeln: Ein Überfall ist gescheitert, die Räuber fliehen in Panik, sterben in einem Feuerball und zwischendrin lernen wir sie daheim kurz als zärtliche, brutale oder leichtfertige Gatten kennen. Kiss, Kiss, Bang, Bang – das klassische Motto der Krimikomödie ist hier das furiose Vorspiel zu einem Desperado-Drama für drei verzweifelte Hausfrauen.
McQueen und seine Co-Autorin Gillian McFlynn haben sich für „Widows“ von der gleichnamigen BBC-Serie aus dem Jahr 1983 inspirieren lassen, wobei die Handlung nach Chicago verlegt ist: Veronicas Mann Harry (Liam Neeson) leitete den Coup, der den kriminellen Lokalpolitiker Jamal Manning zwei Millionen Dollar gekostet hat. Der politische Außenseiter, der in seinem Stadtbezirk Chancen hat gegen Tom Mulligan (Colin Farrell), den öligen Stammhalter einer versnobten Politdynastie, schickt seinen grausamen Handlanger Jatemme zu Veronica. Wie er ihren weißen Terrier anpackt, weiß man schon, dass man ihm nicht in die Finger geraten sollte.
DER REGISSEUR
Der britische Künstler und Filmemacher Steve McQueen (49) ist für Fotografien und Installationen bekannt, bringt seit zehn Jahren aber auch Filme ins Kino – angefangen 2008 mit dem IRA-Drama „Hunger“ über die Sexsuchtbeichte „Shame“ (2011) bis zum Historienstück „12 Years a Slave“ (2013). (sb)
Die Witwe braucht schnell zwei Millionen – und noch etwas mehr. Im Nachlass ihres Mannes aber findet sich nur ein Büchlein mit kompromittierenden Notizen und der Skizze des nächsten Coups. Da gibt es einen Lageplan, aber keinen Hinweis, wo sich das Gebäude befinden mag, das auszurauben sich lohnt. Natürlich ist die abenteuerliche Grundidee haarsträubend: dass eine Frau ohne Plan und ohne Ahnung zwei Leidensgenossinnen überredet, den großen Bruch zu wagen. Dabei fehlt den trauerumflorten Gangsterbräuten auch noch die ironische Haltung der Schwestern im Geiste aus „Ocean’s 8“. Dennoch schafft es Steve McQueen, dass man nicht allzu lange darüber nachdenkt und auch einige Ungereimtheiten am Schluss in Kauf nimmt.
Zu wuchtig ist hier die Frauenpower, als dass man ihr widerstehen wollte: Viola Davis verleiht Veronica eine wütende Wehmut. Ihr Sohn ist gestorben, ihre Beziehung mit Harry darüber offenbar abgestorben, jetzt ergreift sie in einem verwegenen Akt der weiblichen Selbstermächtigung sein räuberisches Erbe. Beim konspirativen Treffen in der Damensauna macht Veronica einen Aufguss wie im Mafia-Schwitzbad, bis das Trio unter sich ist: Sie brauchen Waffen und ein Fluchtfahrzeug. Die ahnungslose Alice (Elizabeth Debicki) ersteigert irgendeinen Van, kann aber nicht fahren. Linda (Michelle Rodriguez) ist mit ihren zwei kleinen Kindern beschäftigt, heuert aber die Babysitterin (Cynthia Erivo) als Fahrerin an.
Wie die Witwen hier zu Werke gehen, das ist elegant eingebettet in einen Plot, der die Intrigen der Männer zwischendrin immer wieder offenlegt. McQueen weiß, wie man auf mehreren Ebenen gleichzeitig erzählt: Wenn Mulligan mit seiner Assistentin vom Wahlkampftermin im Slum nach Haus fährt, hören wir die beiden im Fonds des Wagens, sehen aber die Motorhaube und die Häuser, die vorbeiziehen. Von der einen zur anderen Welt sind es nur ein paar Straßen.
Nicht nur hier sieht man: Da ist ein großer Epiker des Kinos am Werk, der auch eine mittelmäßige Story herausragend zu erzählen weiß.