Für das Projekt City-Bahn zieht die Stadt alle Register. Bei einem parlamentarischen Abend erlebte ein Werbefilm seine Uraufführung. Die Schlussszene spielt an der...
KASTEL/WIESBADEN. Für das Projekt City-Bahn zieht die Stadt alle Register. Bei einem parlamentarischen Abend erlebte ein Werbefilm seine Uraufführung. Die Schlussszene spielt an der Theodor-Heuss-Brücke: „Ich freue mich auf die City-Bahn“, sagt ein Junge im Film.
Von dieser Grundhaltung war die ganze Veranstaltung im Rhein-Main-Congress-Center bestimmt, die Befürworter hatten das Wort. Sie sollten für das Nahverkehrsprojekt werben, damit es in einem dritten Anlauf endlich klappe, sagte Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD).
Der OB sprach sich gegen einen sofortigen Bürgerentscheid aus. Es wäre verfrüht, die Bürger schon heute zur City-Bahn zu befragen. Erst müsse eine Genehmigungsplanung für die Strecke von Mainz nach Wiesbaden erarbeitet sein. Wenn die erste Bahn nicht 2022, sondern ein Jahr später aufs Gleis gehe, werde das auch nicht schädlich sein: „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit“, sagte der OB. Nach dem großen Erfolg der Mainzelbahn werde das System nicht mehr infrage gestellt. Jetzt werde höchstens die Frage aufgeworfen, wo es denn als Nächstes hingehen könne. Es wäre schön, wenn es diesmal nach Wiesbaden ginge, sagte die Mainzer Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne).
OB Gerich: „Wir haben keine andere Chance“
Mehrfach wurde von einem Stimmungswechsel zugunsten öffentlicher Nahverkehrsprojekte geredet. „Die Diskussion verändert sich, die Debatte dreht sich“, sagte Hessens Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al Wazir (Grüne). Viele Menschen merkten, dass in den vorigen Jahrzehnten die Mobilität in einer Form organisiert worden sei, die als nicht mehr zukunftsfähig gelte. Heute wetteiferten Städte im Rhein-Main-Gebiet darum, wie sie einen Schienenanschluss bekämen, und nicht, wie sie ihn abwenden könnten. Die Schienenverbindung sei zum Standortfaktor geworden. Das Konzept der Stadt Wiesbaden für den öffentlichen Nahverkehr sei ein gutes, daher werde es vom Land gefördert, Die City-Bahn sei ein Teil des Gesamtkonzepts. Gleichgültig, ob Auto oder Bahn: Verkehrsträger müssten immer dort eingesetzt werden, wo sie am leistungsfähigsten seien, sagte Al Wazir.
Beleuchtet wurden bei der Veranstaltung die Gründe, die für den Nahverkehr sprächen. Wenn die Luft so schlecht sei, dass sie die Gesundheit schädige, dürfe man nicht auf die Automobilindustrie hoffen. Sie habe die Zeichen der Zeit verschlafen, sagte Gerich. Zweimal sei es mit einer City-Bahn auf Wiesbadener Stadtgebiet schiefgegangen „Warum sollte es beim dritten Mal klappen?“ fragte Moderatorin Kristin Gesang vom Hessischen Rundfunk. „Weil wir keine andere Chance haben“, erwiderte Gerich.
Es gehe jedoch nicht nur um Umwelt- und Gesundheitschutz, sondern auch um den großen Flächenbedarf des Autoverkehrs. Innenstädte seien nicht erweiterbar, sagte Al-Wazir. Handwerksbetriebe müssten ein Interesse am Bau einer City-Bahn haben, weil sie mit ihren Wagen den Straßenraum für ihre Geschäftstätigkeit brauchten. Mehrfach hieß es, dass man sich an den Nachbarn in Frankreich mit ihren neuen Trams in Städten wie Reims und Bordeaux ein Beispiel nehmen solle. Illustriert wurde das mit Ansichten von prächtigen Boulevards mit Gleisstrecken, die wie Grünanlagen anmuteten. Skeptiker warfen die Frage auf, wo auf den Bildern denn die Oberleitungen geblieben seien. Die Bahnen erhielten den Strom induktiv zugeführt, lautete die Antwort.
Noch nie seien die Bedingungen für das Nahverkehrsprojekt so gut wie heute gewesen. „Die City-Bahn hat extrem günstige Vorzeichen“, sagte Jürgen Fenske vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Im Bundeshaushalt seien die Mittel für den öffentlichen Nahverkehr verdreifacht worden, Straßenbahnen brauchten sich um ein positives Image nicht zu sorgen, die Menschen stiegen gerne ein, wenn das Angebot stimme. „Wir sind elektromobil seit 120 Jahren“, sagte Fenske. Die Bauzeit einer City-Bahn müsse man erdulden, um anschließend groß aufatmen zu können. „Gut, dass wir es gemacht haben“, sagte der Verbandsvertreter.
Fürsprecher gab es reichlich. Die City-Bahn beziehe ihren Charme daraus, dass sie zwei Landeshauptstädte verbinde. Für die Lebendigkeit in Wiesbaden sei dieses Hin- und Herfahren notwendig, sagte der Hotelier Gerald Klink vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. Ein weiterer Aspekt: Die Zahl der Studenten in Wiesbaden sei von 7500 auf 13 300 gestiegen, die Zahl der Mitarbeiter von 500 auf 900. Für die weitere Entwicklung der Hochschule Rhein-Main brauche er die City-Bahn, sagte deren Präsident Detlev Reymann.