Von Birgit EmnetWIESBADEN - Wo immer Abbrucharbeiten, Sanierung oder Instandsetzung stattfindet, können sie vorkommen. Und sie sind gefährlich, weil möglicherweise krebserregend. Künstliche Mineralfasern (KMF), landläufig bekannt als Dämmmaterial, finden beim Hausbau breite Verwendung als Glas- oder Steinwolle. Seit 20 Jahren wird gesundheitlich unbedenkliche Mineralwolle hergestellt, sagt Joachim Wack, Bereichsleiter Abfallwirtschaft bei den Entsorgungsbetrieben der Landeshauptstadt Wiesbaden (ELW). Man habe dafür die Faserstruktur verändert. Allerdings sei versäumt worden, den Baustoff anders einzufärben, also unterscheidbar zu machen. Und somit wird jedes Dämmmaterial von den Entsorgungsbetrieben sicherheitshalber als gefährlicher Abfall eingestuft. „So richtig unterscheiden könnte man es nur im Labor“, ergänzt ELW-Pressesprecher Frank Fischer.
Bis heute, und hier beginnt das Problem für ELW, gebe es aber keinen vernünftigen Weg der Entsorgung. Wack spricht von „diffusen Entsorgungswegen“. Mal werde die Mineralwolle wie vorgeschrieben in Säcken angeliefert (die ELW ausgibt), zumeist aber gemischt mit Bauschutt. Dann wird alles so behandelt, als sei es gefährlicher Abfall. Das Problem für die Deponie: Die Dämmstoffe haben viel Volumen, aber wenig Gewicht, sodass beim Ablagern irgendwann die Statik des Deponiekörpers gefährdet sei. Nach dem Einbau der voluminösen Mineralwolle entstehen starke Setzungen.
- KMF
- Künstliche Mineralfasern (KMF) sind anorganische Fasern glasiger Struktur, die aus geschmolzenen Rohstoffen in technischen Verfahren hergestellt werden. Sie kommen im Baubereich als Glas- und Steinwolle, allgemein auch als Mineralwolle bezeichnet, vor und werden im Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutz eingesetzt.
- Bis 1995 hergestellte KMF sind „lungenspezifisch“ und gelten als krebserzeugend, seit 1996 hergestellte dagegen als ungefährlich.
- Beim Umgang und bei der Entsorgung „alter“ Dämmmaterialien müssen entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Es besteht jedoch keine Sanierungspflicht, allerdings darf die „alte“ Glaswolle nicht wiederverwendet werden.
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450.000 Euro werden investiert
Jetzt hat man eine Lösung gefunden, sowohl dem ökologischen Problem der sachgerechten Entsorgung zu begegnen, als auch platzsparend und stabilisierend für die Deponie zu wirken. ELW errichtet auf der Deponie eine spezielle KMF-Presse, die in der Lage ist, das Volumen von Dämmmaterial um 90 Prozent zu reduzieren. „Damit vermeiden wir unkontrollierte Setzungen“, sagt Betriebsleiter Wack. Das lässt man sich etwas kosten: 450.000 Euro werden investiert, die sich allerdings nach drei Jahren bereits amortisiert hätten, wie Pressesprecher Fischer sagt. Die Anlage, die im Herbst in Betrieb gehen soll, entspreche dem neuesten Stand der Technik. Durch eine vollständige Kapselung der Anlage würden keine Fasern beim Pressen freigesetzt.
Das eingesetzte Fachpersonal blicke auf eine langjährige Erfahrung mit der Entsorgung von Asbest zurück. Drei Arbeitsplätze werden neu geschaffen. Zunächst strebt man einen normalen Schichtbetrieb an, somit könnten 10.000 Tonnen Material jährlich verarbeitet werden. Bei Bedarf, ergänzt Wack, könne man im Zweischichtbetrieb die Kapazitäten verdoppeln.
Eine Information in Form von Flyern will man in Baumärkten verteilen, um mit der Abgabe von neuem Dämmmaterial gleich auf die neue Entsorgungsmöglichkeit zu verweisen. Auch denkt man daran, bei sortenreiner Anlieferung Rabatte gegenüber herkömmlichem Bauschutt zu geben, um einen Anreiz zu schaffen. Auf jeden Fall haben Bauherren und Handwerker jetzt bald die Möglichkeit, die tückischen KMF-Produkte ökologisch unbedenklich zu entsorgen.
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