Von Alexander MichelWIESBADEN - „Heute wird es eine kleine Gruppe, aber die Intensität der Runde ist zu spüren“, sagt Hartmut Boger, Vorstandsmitglied der Volkshochschule Wiesbaden an diesem Samstagnachmittag, als er in das Café „Leib & Seele“ im Europaviertel eintritt. Das „Erzählcafé“, das dort bis zu achtmal im Jahr stattfindet, ist eine seit 1991 wiederkehrende Veranstaltung der VHS, zu der verschiedenste Leute eingeladen werden, um Einblicke in ihr Leben und Schaffen zu geben. An diesem Samstag versammelte sich eine Gruppe interessierter Gäste, um Kim Engels zu lauschen. Die in Mainz geborene Frauenrechtlerin setzt sich schon seit Jahrzehnten für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ein und war 1984 eine der Mitbegründerinnen des Frauenmuseums in Wiesbaden. Neben zahlreichen Engagements in der kulturpolitischen Bildungsarbeit und der Vernetzung unterschiedlichster Einrichtungen gründete Engels mit der ersten Frauenbeauftragten, Margot Brunner, den Arbeitskreis Wiesbadener Frauen- und Mädcheneinrichtungen. An diesem Nachmittag sitzt Kim Engels in einem kleinen Kreis zusammen mit Beatrixe Klein vom Frauenmuseum Wiesbaden und Hartmut Boger, der den Gesprächskreis leitet und die Rolle eines Moderators einnimmt.
Seit den 80ern gesellschaftspolitisch aktiv
Schon in ihrer Jugend erfuhr Engels, dass ihr als Frau Möglichkeiten verwehrt blieben, die für Männer unumstritten offen standen. Damals Schülerin eines Mädchengymnasiums, blieb ihr das angestrebte Amt der Messdienerin verwehrt, waren doch nur Jungen dafür vorgesehen. „Egal, was ich vorgefunden habe, ich wollte verändern“, sagt Engels. Seit den 1980ern gesellschaftspolitisch aktiv arbeitet sie bis heute als Künstlerin und Aktivistin.
Die Gespräche drehen sich um die Veränderung des Begriffs der Frau in der Geschichte, sowohl in ihrer Rolle als Teil der Gesellschaft als auch, wie sich der Begriff der Weiblichkeit im Verlauf der Zeit ausdrückte. „Heute sind wir schon einen ganzen Schritt weiter“, sagt Engels. Obgleich es heute immer noch leidenschaftliche Diskussionen über Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt gebe und der globale Rechtsruck der Gesellschaft in Form des neuen männlichen Machotypus in der Politik einen klaren Rückschritt darstelle; die heutigen Standards seien andere, als jene vor rund fünfzig Jahren. „Dass sich heute ein Vater in die Elternzeit begibt, sehen die jüngeren Generationen als gewohnt an“, sagt Engels. Die Frauenbewegung habe die Gesellschaft positiv verändert. „Man sollte dort irritieren, wo Ungleichheiten herrschen“, resümiert Engels.
Das alles stelle einen langen Prozess dar. Für Engels spielt daher das von ihr und ihren Mitstreiterinnen gegründete Frauenmuseum in Wiesbaden eine besondere Rolle. „Wir präsentieren dort die Lebenswelten von Frauen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Schnell können weibliche Aspekte und Namen in der männlich geprägten Geschichte in Vergessenheit geraten. Wir wollen den historischen Spuren, die diese Frauen hinterließen, eine Stimme verleihen.“
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