Von Mathias GuboTAUNUSSTEIN - Der rosa Streuzucker auf den mit Nougat glasierten Muffins sorgt zunächst einmal für Gesprächsstoff. Doch wer das Gebäck von Marion Müller-Eberl erst einmal probiert hat, kommt sogleich ins Schwärmen. Dies gilt auch für den Butterkuchen von Irmgard Gauß. Das Rezept dafür habe sie von einem Urlaub auf Borkum mitgebracht, erzählt die ehrenamtliche Betreuerin ihrer Nachbarin am wunderbar von Astrid Biemann dekorierten Tisch. Beim „Café Vergiss-mein-nicht“, dem monatlichen Treffen von Menschen mit an Demenz erkrankten Angehörigen, braucht man keine lange Anlaufzeit. Man kennt sich, man schätzt sich, hat sich schon darauf gefreut.
Austausch und Rat
- BREITES ANGEBOT IN DER DEMENZBETREUUNG
Die Leitstelle Älterwerden der Stadt Taunusstein bietet in Zusammenarbeit mit Iris Spanehl eine breite Palette von Betreuungsmöglichkeiten für an Demenz Erkrankte und deren Angehörige an: Eine Betreuungsgruppe gibt es dienstags von 14 bis 18 Uhr (20 Euro Teilnahmegebühr) und freitags von 9 bis 13 Uhr (25 Euro inklusive Mittagessen). Doch sind derzeit alle Plätze belegt.
Das „Café Vergiss-mein-nicht“ findet einmal im Monat donnerstags um 15 Uhr in der Silberbachhalle in Wehen statt. Dabei gibt es auch die Möglichkeit zu Einzelgesprächen mit Spanehl. Die Teilnahmegebühr beträgt fünf Euro pro Paar.
Der Angehörigengesprächskreis trifft sich einmal im Monat mittwochs von 17 bis 19 Uhr. Parallel dazu ist eine Einzelbetreuung im häuslichen Umfeld der Demenzkranken möglich, das kostet dann zehn Euro pro Stunde.
Angeboten wird auch eine Pflegebegleitung durch Ehrenamtliche, die sich um die Belange der pflegenden Angehörigen kümmern.
Im nächsten Jahr kann die Demenzarbeit in Taunusstein auf zehn erfolgreiche Jahre zurückblicken. Dies soll mit einem Aktionsmonat im November gefeiert werden.
Einzelberatung ist zudem in der Leitstelle Älterwerden möglich.
Weitere Informationen bei Iris Spanehl, Telefon 0176/24431081, oder in der Leitstelle, Telefon 06128/241323 oder -322.
Acht Paare sitzen an diesem Nachmittag im Gruppenraum der Silberbachhalle in Wehen zusammen, jeweils ein Teil ist dement. Iris Spanehl, die die Demenzbetreuung in Taunusstein organisiert, sorgt mit drei ehrenamtlichen Betreuerinnen dafür, dass es an nichts fehlt. Das monatliche Treffen ist eine Idee von Spanehl. Denn sie hat erkannt, dass Menschen, die einen an Demenz erkrankten Partner pflegen, den Austausch brauchen. „Mit Demenzkranken versteckt man sich gerne“, so Spanehl, also fehle oft der gesellschaftlich-soziale Kontakt.
Hermann Meudt (69) ist an diesem Nachmittag in Begleitung seines geliebten englischen Langhaardackels Flipke gekommen. Seine Frau Ingrid (65) ist inzwischen in einem Pflegeheim, die Versorgung der Kranken allein zu Hause war nicht mehr möglich. „Das ist schon schlimm nach so einem langen Leben gemeinsam“, sagt Meudt, 49 Jahre ist das Paar verheiratet. Doch vor neun Jahren wurde alles anders. Auf einmal hatte seine Frau nur noch Angst, Demenz wurde diagnostiziert. Von Tag zu Tag wurde es schlechter, bis nichts mehr ging, sie in ein Pflegeheim musste. Ihren Mann erkennt sie nicht mehr.
3880 Euro kostet das Heim jeden Monat, 1550 Euro zahlt die Pflegekasse, ihre Rente sind 750 Euro. Den Rest muss Hermann Meudt aufbringen. Jüngst hat er sein Haus in Steckenroth verkauft, das verschafft ihm finanziellen Spielraum für einige Jahre. Er lebt nun in einer Mietwohnung in Wehen. In der Gruppe könne man sich austauschen, jeder kenne das Schicksal des anderen, sagt er. Hier habe sich seine Frau immer sehr wohl gefühlt. „Sonst wird man schnell einsam“.
Inzwischen hat sich Manfred Igstadt ans Klavier gesetzt, das der Hausmeister für ihn zu jedem Treffen in den Raum schafft. Auch der Wehener, der Jahrzehnte im Männergesangverein gesungen hat, ist inzwischen dement. Doch Klavier spielen, das geht noch. Marion Müller-Eberl muss nur eine Melodie vorsummen, schon bald fällt Igstadt mit ein. Der „Schneewalzer“ gelingt tadellos, es wird gesungen und geschunkelt, der Pianist mit Beifall bedacht. „Schön, dass es den Kreis gibt“, sagt seine Frau Marlitt Igstadt.
Geschulte Betreuerinnen
Iris Spanehl nennt den Nachmittag „Wohlfühlfaktor mit Programm“, der gegenseitige Respekt sei wichtig. Deshalb legt sie auch Wert darauf, dass die Betreuerinnen entsprechend geschult sind.
Sie habe viel Freude an diesen Nachmittagen, versichert Marion Müller-Eberl. Für die Angehörigen seien dies „sorgenfreie Stunden“. Sie selbst erlebe immer wieder, dass die Demenzkranken „feine Sensoren und Antennen haben“. Sie spürten „viel mit dem Herzen“, ist die erfahrene Betreuerin überzeugt, „denn die Gefühle sterben nicht“.
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