Von Wolfgang DegenWIESBADEN - In der hessischen Polizei herrscht Entsetzen: Ein junger Polizeikommissaranwärter war in seiner Freizeit mit dabei, als am frühen Sonntagmorgen in Wiesbaden ein 19-Jähriger erstochen und zwei 18- und 19-Jährige durch weitere Messerstiche schwer verletzt wurden.
Als mutmaßlicher Messerstecher sitzt seit Montagnachmittag ein 24-Jähriger aus Niedernhausen in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl lautet auf Totschlag und gefährliche Körperverletzung. Der Polizeikommissaranwärter war ebenfalls dem Haftrichter beim Amtsgericht Wiesbaden vorgeführt worden, die Staatsanwaltschaft nahm dann aber den zunächst beantragten Haftbefehl für den 23-Jährigen zurück. Es hatte sich beim derzeitigen Stand der Ermittlungen kein dringender Tatverdacht bestätigen lassen. Der Mann hatte sich beim Richter nicht zur Sache geäußert.
Der Polizeikommissaranwärter war am späten Sonntag vorläufig festgenommen worden. Er war mit dem 24-jährigen mutmaßlichen Messerstecher und einem 22-Jährigen aus Wiesbaden vom Tatort in der Fußgängerzone geflüchtet. Während die Polizeikollegen fieberhaft nach drei Verdächtigen fahndeten, hielt er sich bedeckt - dabei war das Tötungsdelikt Thema in allen Nachrichten und den sozialen Medien.
Bereits früher aufgefallen
Der 23-Jährige war zum 1. Februar 2017 eingestellt worden. In seinem Fall drängen sich - ungeachtet des aktuellen Falles - Fragen auf: Warum wurde er überhaupt als geeignet für den Polizeiberuf erachtet, obschon er durch eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht bereits früher aufgefallen war? Es liefen früher mehrere Verfahren gegen ihn. Brisant wird der Umstand, dass der Mann, damals noch nicht bei der Polizei, nach Informationen dieser Zeitung in deren Reihen aber als gewalttätig gegolten haben soll - bei Kontrollen sei besondere Vorsicht angebracht, so der interne Warnhinweis. Das Einstellungsverfahren werde „derzeit nochmals nachvollzogen“, erklärt Sandra Bletz-Elsemüller von der Pressestelle der Polizeiakademie. Die Polizeiakademie prüfe bei jedem Bewerber, ob dieser strafrechtlich aufgefallen ist. „Ist der Bewerber gerichtlich bestraft, ist eine Einstellung als Polizeianwärter ausgeschlossen“.
Unabhängig vom Ausgang eines Verfahrens würden „alle polizeilich relevanten Erkenntnisse“ geprüft. Ob ein Bewerber trotz Erkenntnisse „ausnahmsweise“ zum Eignungsverfahren beziehungsweise als Anwärter zugelassen werde, entscheide die Polizeiakademie „nach einer individuellen Einzelfallprüfung“. Ausgeschlossen seien „insbesondere“ solche Bewerber, „die aufgrund ihres Persönlichkeitsbilds als aggressiv oder gewalttätig gelten“. Aus dem aktuellen Fall ist bekannt, dass die Situation erst eskaliert sein soll, als der 23-Jährige und der 24-Jährige bei einem Streit ihren Begleiter unterstützen. Der Beschuldigte darf bis auf Weiteres die Akademie nicht mehr betreten.
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